Liebe Freunde des amerikanischen Südwestens,

"Don't die out there!" Das ist der Titel eines Faltblatts, das ich in einem Trailhead Register fand. Stirb nicht da draußen! Wie enorm berechtigt dieser Appell an uns alle ist, wurde mir erst vor einigen Jahren wirklich klar. Damals mußte ich auf einer Wanderung im Grand Teton NP leider mit ansehen, wie bodenloser Leichtsinn zu einem tödlichen Bergunfall führte. Als ich dann im April 2003 erneut Zeuge einer äußerst kritischen Situation wurde, da beschloß ich spontan, zur Warnung für andere die Ereignisse festzuhalten...

Wir waren gerade dabei, in den nördlichen Coyote Buttes, nahe bei der Second Wave, zum Top Rock Plateau hochzusteigen. Die Route ist hier zwar steil, für trittsichere Wanderer aber gefahrlos machbar. Nach ca. 2/3 der Strecke wichen wir ein Stück nach links aus, um auf die interessante Ebene direkt oberhalb der Wave hinabzublicken. Von einem Vorsprung beobachteten wir dann mit dem Fernglas ca. eine halbe Stunde lang eine Szene, in die wir leider nicht helfend eingreifen konnten.

Zwei Jugendliche waren ohne technische Hilfsmittel in eine nach oben hin immer steiler werdende Felswand eingestiegen, vielleicht um zum Top Rock Arch zu gelangen. Nebenbei bemerkt ist dieses Arch gar nicht so schwer zu erreichen, aber eben nicht auf der "Direttissima". Einer der beiden Jugendlichen hatte die haarsträubende Kletterei schon weitgehend hinter sich gebracht, doch der andere kam nur noch ganz langsam vorwärts. Der Vater (?) rief von unten Ratschläge hoch, der Bruder (?) beobachtete still. Nach einiger Zeit ging es dann weder vorwärts noch zurück. Der junge Mann hatte sich komplett verstiegen und saß in der Klemme! Alleine konnte er sich daraus nicht mehr befreien. Ein Absturz an dieser Stelle wäre vermutlich tödlich gewesen. Auf Anweisung des Vaters kam der Bruder zu Hilfe und sicherte an einer äußerst exponierten Stelle einen Tritt. Die Rettung gelang. Kurz danach konnte ich durch das Fernglas sehen, wie sich der Gerettete an einer sicheren Stelle hinsetzte und die Hände vor dem Gesicht zusammenschlug.

Beim Klettern und Canyoneering kommt man u. U. zu einem Punkt, von dem aus ein (problemloser) Rückzug gerade noch möglich ist. Wird man sich dessen bewußt, so heißt es innehalten und nachdenken! Macht man weiter, dann kann die Sache gefährlich werden. Auf die harte Tour mußte dies 1996 ein amerikanischer Fotograf lernen, der den Brimstone Canyon erkunden wollte.

Das rechte Foto wurde im unteren Teil des Brimstone Canyons gemacht. Am Rande sei vermerkt, Daß Jack Dykinga und Charles Bowden in ihren schönen Bildband Stone Canyons of the Colorado Plateau auf Seite 99 ein ganz ähnliches Bild aufgenommen haben. Sie wollen diesen Canyon aber offenbar geheim halten und geben für die Location nur Escalante Resource Area an.

Der untere Teil des Brimstone ist meines Erachtens von erfahrenen Canyonwanderern durchaus sicher begehbar. Es ist zwar dunkel, man muss u.U. auch durch kaltes Wasser waten und trifft vielleicht auch auf eine von diesen kleinen Klapperschlangen, doch gibt es keine technischen Schwierigkeiten. Ähnlich wie im benachbarten Spooky Canyon kann man sich auf langen Passagen nur seitwärts fortbewegen. Irgendwann kommt dann, in Abhängigkeit vom Bauchumfang, der Punkt, wo es nicht mehr weitergeht und man umkehren muss.

Im oberen Teil des Brimstone Canyons war ich bisher noch nicht, doch konnte ich auf der Wanderung zum Brimstone Arch einen Eindruck von der Gegend gewinnen. Sie ist unübersichtlich und die Orientierung ist nicht ganz einfach. Hier ist besagter Fotograf dann in Schwierigkeiten geraten. Er zwängte sich weiter und tiefer durch enge Spalten als er es hätte tun sollen. Dann saß er fest, was durchaus wörtlich gemeint ist. Da niemand wußte wohin er aufgebrochen war, dauerte es acht (!) Tage bis eine Hundestaffel ihn fand, völlig dehydratisiert, aber lebend.

Es gibt noch viel mehr Beispiele von Unfällen in der Wildnis, auch richtig gruselige. Lassen wir daher noch einmal das oben erwähnte Faltblatt sprechen: "Life's too short to end it too early. Think it can't happen out there? Think again. The Canyon Country is tough. Isn't that how you wanted it?"

Man ist also immer gut beraten:

Wer sich umsichtig verhält, hat nur noch ein geringes Restrisiko und das nehmen wir ja auch bei anderen Aktivitäten, z.B. dem Autofahren, in Kauf.

Zum Schluss möchte ich Euch noch ein zum Thema passendes Buch empfehlen, das wirklich brillant geschrieben ist. Jon Krakauer: In die Wildnis. Allein nach Alaska. Piper Verlag, 2002.

Ich wünsche Euch allen viel Spaß beim Wandern und ... Don't die out there!

Peter Felix Schäfer